als Ausdruck einer neuen Sensibilität ohne Individualismus und Egozentrik
Im Bereich der visuellen Kunst überwiegt in Europa seit 500 Jahren der Schwerpunkt auf dem Individuum im Gegensatz zum Gemeinsamen. Diese Haltung entstammt der Renaissance und offenbart sich klar in den Viten des 1511 geborenen Künstlers Giorgio Vasari, der als Begründer der Kunstgeschichte gilt, da er die ersten Künstlerbiographien schrieb. In der Zeit des Idealismus und der Romantik wird der Mythos des einsamen, leidenden und erleuchteten Künstlers weiter erhöht. In der modernen Kunst des letzten Jahrhunderts erscheint der Künstler als Hauptakteur über dem Kunstwerk, über den Konsens und die soziale Kommunikation hinaus. In der zeitgenössischen Kunst hingegen verliert der Künstler immer mehr an Zentralität, wenn auch nur auf den zweiten Blick, und die Macht geht Schritt für Schritt an Kritiker, Kuratoren, große Museen und Auktionshäuser über, wobei auch der Künstler und seine Kunstwerke dem irrationalen und spekulativen Fluss der Märkte ausgesetzt ist. Stark ausgeprägter Individualismus, Konkurrenzdenken und Unterdrückung manifestieren sich auch in Bereichen der Kunst, die vorher Teil einer Gemeinschaft waren: Die Figur des Dirigenten eines Orchesters, des Regisseurs und des Schauspielers oder des berühmten Balletttänzers eignen sich alle den Verdienst der kollektiven Arbeit an und erhalten Vergütungen, die weit größer sind, als die für den Rest.
Gleichzeitig gibt es aber auch eine andere Strömung sozialen und kollektiven Charakters, die näher am Volk ist, die im Untergrund gedeiht und die Kunst als Ausdruck der Gemeinschaft für die Gemeinschaft versteht. Wie schon in den historischen „Fabriken“ des Mittelalters schöpfen Künstler aus Begegnung und gegenseitiger Bereicherung, bei der das Interesse der Schaffung von Orten und Momenten der Schönheit gilt, in denen keiner der „Akteure“ zum Protagonisten wird. Dieser Chor der Gemeinsamkeit, der entsteht, wenn sich der Künstler mit seiner Technik und seiner Inspiration in den Dienst eines kollektiven Ideals stellt, sich von ihm durchdringen und überwinden lässt, hat schon immer zu größeren und edleren Kunstwerken geführt. Die Kunst der Straße, der Wandgemälde, der Peripherien und der gemeinsam arbeitenden Kollektive drücken oft einige Charakterzüge dieser neuen Sensibilität aus, in deren Zentrum nicht das Individuum, jedoch auch nicht eine verallgemeinernde oder entpersonalisierende Kollektivität steht, sondern eine Gemeinsamkeit, die das einzelne Individuum zum Besseren verändert, indem es ihm in einer Atmosphäre des gegenseitigen Teilens erlaubt, das Beste von sich selber an die anderen zu geben. In diesem Themenbereich wollen wir diese Erfahrungen, die das WIR in der Kunst ausdrücken, wertschätzen und ans Licht bringen.
Kontakt: Simone Casu
Förderer: Desiderio Crea, Alessandro Calizza
Programm: Vorführung eines Dokumentarfilmes über die kollektive Produktion von Kunstwerken
Für weitere Informationen und um teilzunehmen: